Paläontologie: Neue nordafrikanische Raubsaurierart entdeckt
14.01.2025
Paläontologen von LMU und SNSB identifizieren auf mehr als 80 Jahre alten Fotos eine neue, rund 95 Millionen Jahre alte Raubsaurierart aus der nordafrikanischen Kreidezeit.
14.01.2025
Paläontologen von LMU und SNSB identifizieren auf mehr als 80 Jahre alten Fotos eine neue, rund 95 Millionen Jahre alte Raubsaurierart aus der nordafrikanischen Kreidezeit.
Die bewegte Geschichte des Fossils liegt weit in der Vergangenheit: Der Fund des Originalskeletts des großen Raubsauriers geht auf den Münchner Paläontologen Ernst Stromer von Reichenbach (1871-1952) zurück. Das Fossil wurde 1914 während einer Grabungsexpedition in der ägyptischen Bahariya-Oase ausgegraben und gelangte etwas später zu Stromer nach München. Dort wurde es zusammen mit anderen ägyptischen Dinosaurierfossilien in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie aufbewahrt, welche sich zu dem Zeitpunkt in der Alten Akademie in der Münchner Innenstadt befand.
Stromer ordnete das Fossil damals der Gattung Carcharodontosaurus zu, einer Haizahn-Echse. Mit rund zehn Metern Länge ist es einer der größten bekannten landlebenden Fleischfresser der Erdgeschichte – vergleichbar in seiner Größe mit dem etwas jüngeren Tyrannosaurus rex aus Nordamerika.
Am 21. Juli 1944 wurde das Gebäude der Alten Akademie bei einem alliierten Luftangriff auf München von einer Bombe getroffen und brannte vollständig aus. Ein Großteil der damaligen Sammlung, darunter auch sämtliche ägyptische Dinosaurierfossilien, fiel dem Bombardement zum Opfer. Danach war es lange Zeit still um den Riesenraubsaurier aus Ägypten und die Funde gerieten in Vergessenheit. Einzige Überbleibsel der kreidezeitlichen Dinosaurier Ägyptens sind Stromers Notizen, Illustrationen der Knochen und einige wenige Fotos des Originalmaterials.
Im Rahmen neuer Recherchen stieß der LMU-Paläontologe Maximilian Kellermann nun auf neue, bisher unbekannte Fotos des Raubsauriers. Die Bilder zeigen das Original-Skelett aus Ägypten – bestehend aus Teilen des Schädels, der Wirbelsäule und der Hinterbeine – vor seiner Zerstörung in der Ausstellung der Alten Akademie. Zusammen mit dem Dinosaurierspezialisten Prof. Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG) und der Raubsaurierforscherin Dr. Elena Cuesta von der LMU wertete der Masterstudent das neue Bildmaterial aus.
„Was wir auf den historischen Bildern sahen, hat uns alle überrascht“, sagt Maximilian Kellermann, Erstautor der Studie. „Das dort abgebildete ägyptische Raubsaurier-Skelett unterscheidet sich deutlich von neueren Carcharodontosaurus-Funden aus Marokko. Stromers ursprüngliche Zuordnung war somit inkorrekt. Wir identifizierten hier eine ganz andere, bisher unbekannte Raubsaurierart und gaben ihr den Namen Tameryraptor markgrafi.“
Tameryraptor war etwa zehn Meter lang, besaß symmetrische Zähne und ein markantes Nasenhorn. Der Name bezieht sich auf die altägyptische Bezeichnung für Ägypten „Tamery“, das gelobte Land. Es ehrt zudem Stromers Fossiliensammler Richard Markgraf, der diesen Dinosaurierrest ausgegraben hatte. Der Saurier war wohl nahe verwandt mit anderen nordafrikanischen und südamerikanischen Carcharodontosauriern, sowie mit einer Raubsauriergruppe aus Asien, den Metriacanthosauriern, fanden die Forschenden.
„Vermutlich war die Dinosaurierfauna Nordafrikas deutlich vielfältiger, als wir das bislang angenommen haben. Diese Arbeit zeigt, dass es sich für Paläontologen auch lohnen kann, nicht nur in der Erde, sondern auch in alten Archiven zu graben“, sagt Oliver Rauhut. „Für eine umfassendere Beurteilung der kreidezeitlichen Raubsaurierfauna aus der Bahariya Oase wäre allerdings die Bergung weiterer Fossilien der Fundstelle notwendig.“
Maximilian Kellermann, Elena Cuesta, Oliver W.M. Rauhut: Re-evaluation of the Bahariya Formation carcharodontosaurid (Dinosauria: Theropoda) and its implications for allosauroid phylogeny. PLOS One, 2025